Grundkurs Darstellendes Spiel, Kl. 11

Eine Gruppe mehrreihig sitzender Menschen auf der Bühne vis-a-vis dem Zuscherraum. Welche Seite ist Publikum, welche die der darstellenden Spieler? Eine Spiegelsituation, eine Irritation über die im Theater wie im Leben bestehenden Rollen. Vor allem ein gelungener Einstieg in eine Darbietung aus vielfältigen Bezugnahmen und Bezügen, Verweisen und Anspielungen auf individuelles und gemeinschaftliches Erleben von (Um-)Welt.
Scheinbar normale Situationen eskalieren, unter der netten Oberfläche der gemütlichen Teerunde lauern Abgründe von Aggression und Intoleranz. Abgehackt wirkende Computer- oder Marionettenbewegungen,  synchron ausgeführte Handlungen von mehreren Akteuren ent-individualisieren ebenso wie die durch verschiedene Spieler verkörperten Objekte (Wecker, Fenster, Toilette…).
Vielleicht werden aber auch aus Objekten Individuen? Grenzen lösen sich auf, Assoziationsketten werden in Besucherhirne gepflanzt, inszenierte Eskapaden und pantomimische Kapriolen evozieren Erinnerungen, Fantasien oder Schlüsselszenen eigenen Erlebens.
Pause!
Es heißt: Die Pause gehört zur Musik wie zur Sprache wie zur… Arbeit?

Die fast gänzlich ohne Umbaupausen auskommende Aufführung thematisierte u.a. auch die Frage nach dem Sinn und Wert von Pausen („Was wäre, wenn das Leben nur aus Pausen bestünde?“) sowie dem menschlichen Verhältnis zur Arbeit. Auch andere Begriffspaare wie z.B. Konsum und Überdruss, Liebe und Hass, Gemeinschaft und Alleinsein wurden in den Focus gerückt, natürlich auch das große Thema „Leben und Tod“. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben“. Ein Satz wie in Stein gemeißelt, in Marmor, in einen Grabstein möglicherweise. Und es war nicht der einzige Satz dieser Art am Donnerstagabend im wieder fast ausverkauften Projekttheater. Das Spiel der Schüler und Schülerinnen der 11. Klassen war jedoch alles andere als steinern.

Tote gab‘s zwar zuhauf. Die inflationäre Sterberate auf der Bühne: 6 Ruderer, die nach Synchronrudern synchron ertrinken; 6 Leute, die sich totschreiben (die Vermutung liegt nahe, dass es sich um Abi-Prüflinge handelt, die dem Leitspruch „Wer schreibt, der bleibt.“ bis in den Tod folgen - Lesart des Autors) 5 Tote nach Dating, 3 nach Amoklauf, 3 nach Schlangenattacke (Laokoongruppe, der aufmerksame Zuschauer freut sich über den Wiedererkennungseffekt der Bilderfolge nach Werken aus der Kunstgeschichte)…

Die Atmosphäre, die die Spieler erzeugten, war allerdings keinesfalls so schwer und düster wie die zahlreichen Bühnenleichen suggerieren könnten. Im Gegenteil, thematisch waren die einzelnen Szenen der Collage enorm vielfältig, realitätsbezogen und erfrischend kurzweilig. So vielfältig die angedeuteten Themen waren, so reichhaltig war auch das genutzte Repertoire darstellerischer Mittel-von teils solistisch, teils chorisch gesprochenem Text über Body-Percussion, repetitiven Loops bis hin zu realistisch gespielten Milieu-Szenen und einer akrobatischen Solo- und Paartanzeinlage.
Und hier muss endlich auch die hervorragende Arbeit der DS Lehrerin Frau Lessig Erwähnung finden, die die Akteure in entscheidendem Maße zu dieser Leistung animiert und befähigt hat.

Alles in allem wurde eine tiefgründig-intensive Szenencollage dargeboten, die unbedingt nachdenklich stimmte, jedoch keinerlei fatalistischen oder nihilistischen Grundton aufkommen ließ, sondern durch sympathische humorige Details, gekonnt gesetzte Übertreibungen, wohldosierte Ironie sowie durchgängig präsentierte lockere Spielfreude der jungen Mimen dem Publikum stets ein augenzwinkerisches „Wir woll’n doch nur spielen“ vermittelte. Bitte spielt weiter!

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