Gymnasium Dreikönigschule Dresden

mitten in der Dresdner Neustadt ❀ Denken - Kommunizieren - Selbstverantwortlich handeln

Dreikönigspieler der Jahrgangsstufen 11 und 12 bei den Sommerkulturtagen 2024
Ein Stück von Sascha Wilhelm Benke

Auf den Abend dieser Truppe war ich schon im Vorfeld besonders gespannt, zum einen, weil ich die Aufführungen der Jugendlichen, die bereits seit der Klasse 5 ihrer Theaterlust bei der versierten Spiel- und Ensembleleiterin Ina Kwiatkowski mit ungebrochener Leidenschaft frönen, mit Begeisterung verfolge und zum anderen, weil das Stück des heutigen Abends aus der Feder eines der Jugendlichen dieses Teams stammt.

Der Beginn, ein Paukenschlag, 3 Spieler treten an den Bühnenrand und verkünden, heute Mittag fiel während der Generalprobe der Hauptdarsteller aus.

Man habe entschieden, diese Rolle des Friedrichs untereinander aufzuteilen, das Publikum würde diese Figur jeweils daran erkennen, dass sie das Textbuch dabeihabe.

Kann das funktionieren? Noch mehr Spannung im Raum.

Ein sehr beeindruckendes, ernsthaftes Stück nimmt Fahrt auf, textgewaltig und parabolisch. Angesiedelt ist es in der Zeit der Weimarer Republik. Ein Freundeskreis trifft sich seit Ewigkeiten regelmäßig, ist tief miteinander verbunden und tauscht sich vertraut miteinander aus, feiert Weihnachten und Silvester zusammen. Die Neuigkeit des Abends: unter ihnen hat sich ein frisch verliebtes Pärchen gefunden, Friedrich und Fredrike, Glückwunsch! Gleichsam kündigt Friedrich an, er müsse etwas Bedeutendes verkünden. Doch dies würde er noch ein wenig aufschieben, was offene Empörung über diese Geheimniskrämerei entfacht.

Was will er sagen, was hat er vor, hat jemand inzwischen etwas Genaueres davon gehört?

Dann die Offenbarung: Friedrich ist entschlossen, Soldat zu werden, der Reichswehr beizutreten. Die sozialdemokratisch denkenden Freunde sind fassungslos. Warum? Es sei nicht politisch, auch nicht wegen des Geldes, er wolle etwas verändern. Verändern? Das könne er doch auch, ohne dieser Berufsarmee beizutreten, die zersetzt sei von Veteranen des I. Weltkrieges.

Die einen halten es für Verrat an ihnen, ihrer Freundschaft und brechen diese sofort, andere zaudern, er sei doch immer noch derselbe. Es entbrennen ernsthafte Fragen. Kann man mit jemandem befreundet sein, der politisch anders denkt? Kann man Soldat sein, ohne politisch zu sein? Eine Zerreißprobe für die Gruppe und für Friedrich selbst.

Friedrich will die Freunde nicht missen, entzieht sich ihnen verunsichert dennoch immer mehr, glaubt nach eigenwilligem Aufnahmeritual unter Soldaten neue Freunde gefunden zu haben. Er entdeckt zärtliche Gefühle für seinen Kameraden Hermann, mit dem er die Kammer teilt, eine weitere Verunsicherung.

Dann kommen die Schatten, die er überall zu sehen glaubt und die sich aufdringlichen und unausweichlich demagogisierend in sein Gewissen bohren. Diese Schattenfiguren jagen auch dem Publikum Schauer über den Rücken, diese in lange Ledermäntel gehüllten Gestalten mit Gasmasken und echounterstützten Stimmen den faschistischen Geist darstellend. Es scheint, als verlöre Friedrich den Verstand, will zurück, Halt bei seinen Freunden finden, doch die meisten Türen sind zu.

Dann ein Break. Buntes Silvesterfeuerwerk, gelassene Stimmung im Freundeskreis und in der Soldatenkammer, träumerisch-sehnsüchtige Blicke in den farbenfrohen Himmel, Hoffnung, Neuanfang?

Doch Friedrich fügt sich weiter in seine Rolle, bis er auf Streife eines Abends auf Johann, den Juden trifft, den er, trotz Erkennens seines einstigen Freundes, rücksichtlos und ganz soldatisch erniedrigt.

Ein Schusswechsel auf offener Straße, Friedrich wird tödlich getroffen.
Da liegt er, tot, allein, zerfallen.

Die Jugendlichen spielen ihre Rollen unfassbar intensiv, körperlich, mimisch und auch stimmlich überzeugend differenziert, beherrschen es dabei auch, Pausen zu lassen, rein nonverbal zu agieren. Ziemlich professionell und fesselnd.

Es ist enorm, wie gekonnt sie dabei in kürzester Zeit auch zwischen den Rollen mit großer Ausdruckskraft switchen können, wenn sie die des Friedrich zwischenzeitlich übernehmen. Es ist bemerkenswert und außerordentlich beeindruckend, dass diese Passagen nicht nur ersatzweise vorgelesen, sondern ebenso ausgefüllt werden mit eindringlichem Spiel, und dabei mit jedem Spieler-Wechsel Friedrichs „Zerfall“ an Sichtbarkeit gewinnt.

Verrückt, welche Wirkung davon an diesem Abend ausgeht.
Es könnte auch eine konzeptionelle Idee gewesen sein, um greifbarer erscheinen zu lassen, es könnte jedem widerfahren, sich haltlos in großen Gewissenkonflikten falscher Einrede und vermeintlicher Verlockungen zu verlieren, und dabei zu „zerfallen“.

Der jugendliche Autor setzt sich zusammen mit seinem jugendlichen Ensemble und Regisseurin Ina Kwiatkowski mit Fragen des Miteinanders im Privaten wie Gesellschaftlichen auseinander und fordert unmissverständlich auf, hinzusehen, hinzuhören, zu hinterfragen und nicht zum bloßen Mitläufer zu werden.

Besetzung:
Friedrich: Emma Hilbrig, Elisabeth Herrnschier, Achlys Dumrath
Freunde: Johann- Finn Gaub, Johanns Freundin Laura - Luise Rothe, Arthur – Ester Klein, Emilia - Mathilde Daniel, Siegfried - Charlie Nüsser, Ernst-Emma Gängler
Weitere Rollen:
Eva: Achlys Dumrath, Schatten: Emma Gängler und Achlys Dumrath, Veteran: Luise Rothe


Bilder: Steffi Firchau

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