Gymnasium Dreikönigschule Dresden

mitten in der Dresdner Neustadt ❀ Denken - Kommunizieren - Selbstverantwortlich handeln

Darstellendes Spiel Jst. 11

Am vergangenen Mittwoch, 5.6.2019, führte im Rahmen der Sommerkulturtage 2019 an der DKS der Grundkurs Darstellendes Spiel Klasse 11 sein Stück „Ich und Du – und der Verrat“ im Projekttheater Dresden auf.
Schon beim Betreten des hell erleuchteten Zuschauerraumes des Projekttheaters musste sich der Besucher der im dunklen Bühnenbereich geisterhaft und wie versteinert, ähnlich der chinesischen Terrakotta-Armee stehenden Mimen gewahr werden. In eng anliegenden schwarzen Kostümen standen sie-jeder hinter einem Stuhl-und schufen schon mit ihrer laut- und bewegungslosen körperlichen Präsenz eine knisternde Atmosphäre.

Und spätestens nach den ersten Bewegungen in automatenhaftem Gleichmaß, beginnend mit scheinbar von unhörbaren Kommandos geführten Schritten der Stuhlbesteigung bis zum synchron ausgeführten und erschreckenden Sprung und Schrei in Richtung des Publikums musste jedem Besucher klar sein, dass es sich hier weder um eine Liebestragödie (wie der Titel eventuell suggerieren konnte), noch um eine amüsant dahinplätschernde Komödie handelte. Ein echter Knallerauftakt!

Das von den Schülern und Schülerinnen gemeinsam und prozesshaft als eine Art Montage entwickelte Stück bediente sich formal bestimmter Mittel des von Brecht entwickelten epischen Theaters sowie anderer eindringlicher Verfremdungseffekte. So wurden u.a. durch chorales Sprechen, Freezes (eingefrorene Haltungen) oder Super-Slow-Motion-Bewegungsabläufe kraftvoll-dynamische, besinnlich-harmonisierende, subtil bis direkt beängstigende oder zumindest beklemmende Wirkungen erzielt.

Bei allem wurde stets auf ein gutes Maß an Beschränkung geachtet, was Intensität und Konzentration in der Wirkung verstärkte.
Besonders eindringlich war die Prügelattacke der Spitzel gegen den denunzierten Nachbarn (Hier findet sich eine inhaltliche Bezugnahme auf Brechts „Furcht und Elend des 3. Reiches“. Die 27 Szenen dieser Montage handeln von den von Verrat und Denunziation geprägten Alltagsereignissen in Deutschland ab 1933.). Ein Teppichklopfer, eines der wenigen Requisiten, wird hier zum Menschenklopfer.
Ebenso und doch anders berührend der in Slow-Mo choreografierte Massenkampf zu asiatischer Streichermusik (Wuxia-Regisseure wie Ang Lee und Zhang Yimon lassen grüßen; -bitte googeln) oder sehr erfrischend auch die Wechsel von narrativen Spielsequenzen zu darstellerisch visualisierter Dialektik von Aktion/Akt und Pause („Jede Pause muss ausgefüllt werden! Wir schlagen sie und die Zeit tot!“) sowie von Arbeit und Erholung, vielmehr Scheinerholung vor der Flimmerkiste.
Starke, einprägsame Bilder von z.B. sakraler Symmetrie und Ruhe bleiben haften im Gehirn des Zuschauers, etwa das von der im Zentrum der Bühne sitzenden, kruzifixartigen Figur, die allerdings auch Justitia hätte symbolisieren können. Sie wird flankiert von zwei Pieta-
Gruppen, doch hier halten die Täter die Opfer, zwei zuvor nahezu simultan hinterrücks erstochene Denunzierte.

Und obwohl die aufgeführte Szenenmontage kein in sich abgeschlossenes Stück im traditionellen Sinne war, es auch nicht sein sollte, kam man als Zuschauer nicht umhin, eine gewisse Inhärenz fast körperlich zu spüren. Denn in Anlehnung an den Spruch „Nichts Menschliches ist mir fremd“ (Terenz: „Der Selbstquäler“,-bitte googeln) musste oder konnte man feststellen, wenn man ehrlich in sich hineinhörte, dass einem die Selbstquälerei, die Zweifel, die Schuldgefühle oder Ausflüchte, Entschuldigungsversuche und Verharmlosungen, die von den Akteuren sehr glaubhaft und differenziert gespielt wurden, keinesfalls so fremd sind, dass man sich davon hätte emotional distanzieren können.

Auch beim Nachsinnen über das Erlebte kommen einem möglicherweise noch Fragen wie:
Welche Menschen habe ich auf die eine oder andere Weise verraten? '
Wem habe ich aus Eigennutz oder „für die eigene Unversehrtheit“ geschadet?

Alles in allem war der Abend eine konzentrierte, reife Leistung des Ensembles der inzwi-schen bühnenerfahrenen Elftklässler, die sich unter der Anleitung der Kunst- und DS-Lehrerin Frau Lessig sehr positiv entwickelt haben. Dafür gebühren ihr Dank und Hochachtung.

Der einzige Wermutstropfen des Abends war die relativ geringe Besucherzahl, die jedoch keinen bitteren Nachgeschmack hinterließ, da Herr Jonas, der Schulleiter, seinen Dankesworten diesbezüglich die Bemerkung beifügte, dass es nicht entscheidend sei, wieviele Zuschauer kämen, sondern ob es die richtigen wären. Und die honorierten dann auch die äußerst fulminante Aufführung mit ebensolchem Applaus.

Man darf gespannt sein aufs nächste Jahr.

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