Der Fall Julia
Acht von Ralf + Ev am 13.06.2025 im Kunstatelier der DKS
Ein Novum bei den Sommerkulturtagen: für die Aufführung der Gruppe Acht von Ralf + Ev mit ihrem Stück „Der Fall Julia“ geht es diesmal nicht ins projekttheater, sondern ins Kunstatelier der DKS.
Die Tische sind beiseite geräumt, von Stellwänden verdeckt, Stühle bilden einen Zuschauerraum, aber eine Bühne gibt es nicht. Stattdessen sitzen 9 Schüler und Schülerinnen in einem frei geräumten Bereich des Raumes wie in einem Klassenzimmer und quatschen mindestens genau so angeregt, wie die zahlreich herein strömenden Zuschauer.
Bei letzteren wird es irgendwann still, bei den 9.-Klässlern … nicht. Es wird geplaudert, gelacht - wie das eben so ist an einem ganz normalen Schultag. Irgendjemand fragt in die Runde: „Wo
bleibt’n der Lehrer?“, jemand anderes: „Habt ihr die Romeo-und-Julia-Hausaufgaben gemacht?“ Einer hat sie gemacht. Er hat mehrere Szenen geschrieben und in eine Reihenfolge gebracht („Dafür
könnt ihr mich ruhig mal feiern!“). Andere haben ein paar Kostümteile besorgt. Wild durcheinander redend werden Rollen verteilt, Kostüme ausgesucht („Ah, hier ist sogar eine Bluse mit Schulterpolstern!!“), Tische beiseite geschoben, Absprachen getroffen. Mit einfachen Mitteln wird ein kirchlicher Raum angedeutet.
Und dann geht die erste Szene los und die gesamte Atmosphäre verändert sich, gespannte Stille im Raum. Zwei Mädchen in Westen betreten die Kirche, werden von Pater Lorenzo begrüßt. Nein, es
sind gar keine Mädchen. Es sind Paris und Tybalt, die sich nun umarmen. So innig, dass Pater Lorenzo sich für einen Moment diskret zurück zieht und dann vorsichtig fragt, ob er später wiederkommen soll.
Er soll nicht, denn Paris und Tybalt sind hier, um zu heiraten. Nachdem sie zu Mann und Mann erklärt wurden und sich glücklich umarmen, ruft Pater Lorenzo plötzlich „Und jetzt kommt die Polizisten-Szene.“ und der Bann der Szene ist gebrochen. Wieder wird geräumt und gequatscht, als wäre dies keine Theater-Aufführung, sondern ein ganz normaler Schultag.
Und so erleben die Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle. Denn schon in der Polizisten-Szene wird deutlich, dass Tybalt tot ist, Julia (die noch gar nicht gespielt hat) ebenfalls. “Frau Amme“, nein, nur “Amme“ wird befragt. Pater Lorenzo folgt: Paris und Romeo sind ebenfalls tot und die tote Julia ist verschwunden! Lebhafter Szenenwechsel und nun Rückblick: Eine Feier im Hause Capulet. Paris und Julia werden – zu ihrer eigenen Überraschung und offensichtlich gegen ihren Willen – verlobt.
Szenenwechsel: Tybalt macht seinem Mann Paris heftige Vorwürfe. Der eifersüchtige Romeo fordert Tybalt zum Kampf und tötet ihn. “Ok, das war doch ganz schön“ ruft ein Schüler und als Zuschauer schüttelt man sich kurz verwirrt. Ach ja. Wir sind ja immer noch im Kunstatelier der DKS und das hier ist ein schlichter Szenenwechsel. Doch nun wird das Licht gelöscht und es herrscht wieder eine völlig neue Stimmung: wir befinden uns in der Gruft, in der Tybalt und Julia aufgebahrt liegen. Paris trauert um Tybalt. Romeo will um Julia trauern. Es kommt erneut zum Kampf. Romeo tötet Paris und dann sich selbst. Die letzte Szene spielt noch einmal in der Kirche. Julia und Benvolio wollen gemeinsam fliehen. So war der Plan von Anfang an. Und Pater Lorenzo hilft ihnen dabei.
Und plötzlich platzt der Klassenlehrer in die Szene (ja, Ralf Neumann persönlich!), meckert erst, wo seine Klasse denn bleibt, und entschuldigt sich dann, weil er im falschen Raum auf sie gewartet hat. Es war faszinierend und machte ausgesprochen Spaß, mit welcher Leichtigkeit die Schülerinnen und Schüler “privat“ spielten. Und es war beeindruckend und berührend, mit welchem Einsatz sie in ihre verschiedenen Rollen einstiegen. Als Zuschauer wurde man zwischen Heiterkeit und Dramatik hin und her geschubst und mit dieser völlig neuen Interpretation des Shakespeare-Klassikers ausgesprochen gut unterhalten.
Ralf Neumann hatte die Idee, mit seiner 9. Klasse den Unterrichtsstoff “Romeo und Julia“ szenisch zu bearbeiten und holte sich zur Unterstützung Morten Gensch dazu, der an der DKS schon einige Theater-AGs leitete und früher im Künstlerischen Profil mitmischte. Ihnen beiden und den Acht von Ralf + Ev sei herzlicher Dank und große Anerkennung ausgesprochen für ihr Engagement und diesen wirklich gelungenen Abend.
Bilder: Ralf Neumann